
Ein Geben und Nehmen
Durch Zufall stieß Hosin (26) bei seiner Wohnungssuche auf das Projekt „Wohnen für Hilfe“. Hier berichtet der Mechatronik-Student von seinem Zusammenleben mit einer Seniorin.
Meine Wohnungssuche in Karlsruhe verlief anfangs ziemlich erfolglos. Dann las ich vom Konzept der Wohnpartnerschaft – davon hatte ich noch nie gehört. Studierende können im Rahmen dieses Projekts bei einer Familie oder einer älteren Person wohnen und verpflichten sich im Gegenzug dazu, bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Das kann alles Mögliche sein: Kinderbetreuung, Fahrdienst, Haus- oder Gartenarbeit.
Weil ich mir das sehr gut vorstellen konnte, bewarb ich mich kurzerhand. Im Bewerbungsbogen wurden ein paar Dinge über mich erfragt, zum Beispiel ob ich rauche. Und ich konnte angeben, was ich mir von der anderen Person, dem Wohnraum oder meinen Pflichtaufgaben erwarte. Die Koordinationsstelle gleicht dann die Bewerbungsbögen der Wohnraumsuchenden mit denen der Wohnraumgebenden ab und vermittelt passende Kontakte. So konnte ich schon bald einen Kennenlerntermin mit einem älteren Herrn vereinbaren. Dieses Treffen war allerdings sehr ernüchternd: Mit uns schien es zwischenmenschlich nicht zu passen, weshalb ich dieses Angebot ablehnte. Die Suche nach einer Wohnpartnerschaft ging also weiter.
Das perfekte Match
Beim zweiten Versuch kurze Zeit später stimmte die Chemie zwischen einer Seniorin und mir dann aber. In der jetzigen Wohnkonstellation lebe ich bereits seit über einem Jahr und bin sehr zufrieden. Neben einem eigenen Zimmer (15 Quadratmeter) nutze ich gemeinsam mit der Eigentümerin ein ganzes Haus. Eine große Küche war mir persönlich sehr wichtig – und diese ist nun auch mein Bereich. Einkaufen und Abendessenkochen sind hier nämlich meine Aufgaben. Natürlich gibt es auch mal Ausnahmen, zum Beispiel wenn ich wegen der Uni nicht kann oder an den Wochenenden oder in den Semesterferien unterwegs bin. Die Wohnraumgeberin (83) verlangt keine Miete, nur 100 Euro für die Nebenkosten fallen monatlich an Das haben wir auch in einem schriftlichen Vertrag festgehalten. Die Details in so einem Vertrag werden ganz individuell von den Teilnehmenden festgelegt. In der Regel leistet die oder der Wohnraumnehmende pro Quadratmeter eine Stunde Arbeit im Monat. Bei mir wären das also 15 Stunden.
Eine Win-win-Situation
Ich kann mich wirklich auf mein Studium konzentrieren. Allein, um die Mietkosten einer Einzimmerwohnung stemmen zu können, hätte ich viel Zeit in einen Nebenjob investieren müssen. In einem großen Haus, in einer so schönen, ruhigen Wohngegend könnte ich mir das Zimmer normalerweise überhaupt nicht leisten. Unser Miteinander ist alles andere als ein typisches Vermieter-Mieter-Verhältnis. Je nachdem, wie viel Zeit ich neben der Uni habe, verbringe ich diese auch gerne mit meiner Wohnraumgeberin. Es ist total harmonisch und familiär, und wenn sie mal Hilfe benötigt, bin ich natürlich zur Stelle.
Mein Umfeld reagiert positiv auf die Wohnpartnerschaft. Mit den Angehörigen meiner Vermieterin verstehe ich mich ebenfalls total gut. Und die Nachbarschaft ist froh, dass jemand mit im Haus der alten Dame wohnt und sie nicht alleine ist. Ich kann dieses Wohnmodell wirklich empfehlen. Klar, man muss flexibel sein und eine gewisse Verantwortung tragen, aber abgesehen von den vorher abgesprochenen Pflichtaufgaben unterscheidet es sich kaum von einer normalen WG: Zwischenmenschlich muss es passen, man muss Kompromisse eingehen und sich auf die Persönlichkeit des anderen einstellen. Am Ende profitieren alle, es ist ein Geben und Nehmen: Niemand muss alleine sein, man kann sich tollen Wohnraum leisten und einander im Alltag unterstützen.
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