Mädchen studieren Geisteswissenschaften, Jungs Informatik: Dieses klischeehafte Bild der Studienwahl ist immer noch weit verbreitet – entspricht aber nicht (mehr) ganz der Wahrheit.
Klassische Muster in der Fächerwahl?
Foto: Christof Stache
Ganz langsam ändert sich auch die Fächerwahl: Während in der Vergangenheit Frauen und Männer überwiegend „geschlechtertypische“ Studiengänge wählten, werden diese Muster nach und nach zumindest teilweise aufgebrochen. So ist der Anteil der Frauen im Studienfach Bioinformatik beispielsweise von knapp 30 Prozent im Studienjahr 2007/08 auf über 45 Prozent im Jahr 2022/23 gestiegen.
Es stimmt, viele Studienanfängerinnen entscheiden sich für ein Fach aus den Sprach- und Kulturwissenschaften, den Sozialwissenschaften, für einen Studiengang im Bereich Gesundheit und soziale Dienste oder für ein Lehramtsstudium. Aber auch in vielen naturwissenschaftlichen Fächern, wie Chemie, Biologie, Mathematik und Geographie stellen sie mittlerweile die Hälfte oder mehr der Studierenden. In ingenieurwissenschaftlichen Fächern sind Studentinnen immer noch unterrepräsentiert. Ihr Anteil ist in den vergangenen Jahren allerdings leicht gestiegen. Die Arbeitsmarktentwicklungen zeigen, dass Frauen in technischen Berufen gute Chancen und Berufsperspektiven haben.
Männliche Studienanfänger orientieren sich bei ihrer Fächerwahl nach wie vor stärker an klassischen Mustern: Sie belegen überwiegend Fächer mit einem traditionell hohen Männeranteil. Vor allem in ingenieurwissenschaftlichen Fächern stellen sie einen sehr hohen Anteil und sind gleichzeitig z.B. in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften oder den Sprach- und Kulturwissenschaften unterrepräsentiert.
In einer Grafik wird die Studiengangswahl von Männern und Frauen genauer betrachtet. Bei den Männern entscheiden sich 40 Prozent für die Ingenieurwissenschaften, 32 Prozent für die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und 11 Prozent für den Bereich Mathematik, Naturwissenschaften. Darüber hinaus wählen 7 Prozent ein Studienfach im Bereich Geisteswissenschaften, 5 Prozent ein Fach aus den Bereichen Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften, 3 Prozent ein Fach aus den Bereichen Kunst, Kunstwissenschaft sowie 2 Prozent ein Fach aus den Bereichen Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin. Ein Prozent entfällt auf die Fächergruppe Sport. Bei den Frauen entscheiden sich 45 Prozent für den Bereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 14 Prozent wählen ein Studienfach innerhalb der Geisteswissenschaften, 13 Prozent entscheiden sich für die Ingenieurwissenschaften. Darüber hinaus entscheiden sich 11 Prozent für den Bereich Mathematik, Naturwissenschaften, 10 Prozent für die Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften und 4 Prozent für Kunst, Kunstwissenschaft. 3 Prozent entfallen auf den Bereich Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin sowie ein Prozent auf die Fächergruppe Sport. Quelle: Statistisches Bundesamt
Traditionelle Rollenbilder?
Oftmals zeigen sich alte Geschlechterrollenbilder hier wirkmächtig, die Männer mit technisch-mathematischer Stärke und Frauen mit kommunikativ-sozialen Fähigkeiten in Verbindung bringen. Heute wissen wir: Jeder Mensch ist einzigartig, daher auch jede Studienfachwahl.
Mit zahlreichen Initiativen und Angeboten wenden sich Hochschulen und Verbände an Schülerinnen, um diese noch stärker als bisher für technisch-naturwissenschaftliche Ausbildungen oder Studienfächer zu begeistern. Und für Schüler gibt es an verschiedenen Hochschulen spezielle Angebote, um den geringen Männeranteil in einigen Fächern (z.B. Lehramt Grundschule) zu erhöhen.
Die Grafik zeigt die am stärksten besetzten Studienfächer männlicher und weiblicher Studierender im Wintersemester 2022/23. Bei Männern: erstens Betriebswirtschaftslehre, zweitens Informatik, drittens Maschinenbau, viertens Elektrotechnik, fünftens Wirtschaftsinformatik, sechstens Wirtschaftsingenieurwesen, siebtens Rechtswissenschaft, achtens Wirtschaftswissenschaften, neuntens Bauingenieurwesen, zehntens Medizin. Bei Frauen: Erstens Betriebswirtschaftslehre, zweitens Psychologie, drittens Medizin, viertens Rechtswissenschaft, fünftens Soziale Arbeit, sechstens Germanistik, siebtens Erziehungswissenschaft, achtens Wirtschaftswissenschaften, neuntens Biologie, zehntens Anglistik. Quelle: Statistisches Bundesamt
Informationen und Angebote für Schülerinnen und Studentinnen
Umfangreiche Informationen rund um das Thema Frauen und MINT bietet die Webseite des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Nationalen Pakts für Frauen in MINT-Berufen („Komm, mach MINT“): www.komm-mach-mint.de.
Am sogenannten Girls’Day (www.girls-day.de) können Mädchen technische, handwerkliche und naturwissenschaftliche Berufe sowie Studiengänge kennenlernen. Auf der Aktionslandkarte „Girls’Day-Radar“ tragen sich Unternehmen, Hochschulen, Forschungszentren und ähnliche Einrichtungen ein, die bei dem Aktionstag mitmachen und Veranstaltungen anbieten.
Technik schnuppern
Wenn Sie konkret wissen möchten, worauf Sie sich mit einem technischen Studium einlassen, fragen Sie an den Hochschulen Ihres Interesses nach, ob die entsprechenden Fachbereiche Frauen-Schnuppertage, -Sommeruniversitäten o.Ä. anbieten, bei denen Sie die Fächer und deren Studieninhalte kennenlernen können.
Das „Niedersachsen-Technikum“ etwa bietet jungen Frauen Einblicke in naturwissenschaftlich-technische Berufe und Studienfächer. Es beinhaltet u.a. ein sechsmonatiges Praktikum in einem Unternehmen. (www.niedersachsen-technikum.de).
Eine regionale Übersicht über Schnupperangebote von Hochschulen für Frauen und Mädchen gibt es z.B. für Baden-Württemberg im Portal www.scientifica.de, beim Netzwerk „Zukunft durch Innovation“ (zdi) (www.zdi-portal.de), für Bayern unter https://schnuppertage.thws.de sowie bei der „Thüringer Koordinierungsstelle für Naturwissenschaft und Technik“ (www.thueko.de).
Studiengänge nur "für sie"
Einige Hochschulen bieten spezielle Frauenstudiengänge an. Hierzu gehören z.B. Studienangebote verschiedener Fachhochschulen in den Bereichen Wirtschaftsingenieurwesen oder Informatik. Die Studienpläne umfassen neben den (auch für die männlichen Kommilitonen verbindlichen) Fachinhalten zusätzliche Lehrveranstaltungen und Schwerpunktsetzungen.
Infos und Service für Frauen an Hochschulen
An den meisten Hochschulen gibt es Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte. Diese haben ein spezielles Angebot für Studentinnen, Doktorandinnen, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Professorinnen aufgebaut. Gleichstellungsbüros an Hochschulen bieten unterschiedliche Alltagshilfen wie Informationen und Kontakte zur Wirtschaft und zu Berufsverbänden sowie Unterstützung bei Diskriminierung und sexueller Belästigung.
Die Adressen der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten finden Sie direkt bei den Hochschulen oder im Zentralen Verzeichnis Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland sowie auf der Webseite von BuKoF, der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen unter www.bukof.de.
Bei vielen Hochschulfrauenbüros gibt es zudem Informationen und Unterstützungsangebote zum Thema „Studieren mit Kind“. Die Webseiten der Hochschulen und der Studierendenwerke bieten Ihnen auch die Möglichkeit, Informationen über die Vereinbarkeit von Familie und Studium abzurufen.
Mentoring und Karriereförderung für Studentinnen
Beim Mentoring begleitet eine erfahrene Person (Mentorin bzw. Mentor) eine Studentin in den ersten Fachsemestern (Mentee), um diese zu unterstützen und in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu fördern.
Im „Mentorinnen Netzwerk für Frauen in Naturwissenschaft und Technik“ in Hessen engagieren sich berufserfahrene Frauen aus Wissenschaft und Wirtschaft, um Studentinnen und Absolventinnen in ihrer beruflichen Entwicklung zu fördern. Studentinnen wiederum können als Mentorinnen für Schülerinnen aktiv werden (www.mentoringhessen.de).
Im „Ada-Lovelace-Projekt“ in Rheinland-Pfalz motivieren Studentinnen der MINT-Fächer Mädchen und junge Frauen zu einem Studium oder einer Ausbildung in diesen Fächern. Die Mentorinnen geben den Schülerinnen z.B. praktische Tipps und berichten von ihren persönlichen Erfahrungen (https://ada-lovelace.de).
„CyberMentor“ vermittelt Schülerinnen eine persönliche E-Mail-Mentorin, die in Wirtschaft oder Wissenschaft im MINT-Bereich beruflich tätig ist oder ein MINT-Fach studiert. So lassen sich Einblicke in den Beruf und praktische Tipps für die Studien- und Berufswahl gewinnen. (www.cybermentor.de).
Das Programm „Careerbuilding“ gibt den Studentinnen höherer Semester die Chance, frühzeitig die richtigen Weichen für den beruflichen Ein- und Aufstieg zu stellen (www.femtec.org/programme/career-building-programm).
Vernetzung erleichtert den Weg zum Erfolg
Gemeinsam sind sie stark: Gerade Frauen mit Berufen in sogenannten Männerdomänen verbünden und vernetzen sich, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten, einen an ihren Bedürfnissen orientierten fachlichen und beruflichen Austausch zu haben und sich gegenseitig zu unterstützen. Auch für junge Frauen sind solche Netzwerke oft eine gute Anlaufstelle, um sich ein Bild über die konkrete berufliche Situation des gewählten Fachs zu machen. Über die wichtigsten Frauen-Netzwerke, insbesondere für den Technik- und Informatikbereich, informiert die Webseite des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. (www.kompetenzz.de).
Informationen und Angebote für Schüler und Studenten
Darüber hinaus gibt es auch Informations- und Unterstützungsangebote speziell für junge Männer.
Zu nennen ist hier in erster Linie der Jungen-Zukunftstag Boys‘Day, den das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. koordiniert. Auf der Aktionslandkarte, dem „Boys‘Day-Radar“ können Sie Angebote in Ihrer Region recherchieren: www.boys-day.de.
In manchen Regionen (etwa in Baden-Württemberg) wird eine Boys’Day-Akademie angeboten. Schüler allgemeinbildender Schulen können dort aktiv die zukunftsorientierten Ausbildungs- und Studienberufe aus den Bereichen Erziehung, Pflege, Soziales und Gesundheit kennenlernen.
Zum Thema Studieren mit Kind bieten die Webseiten der Hochschulen und der Studenten- und Studierendenwerke auch die Möglichkeit, Informationen über die Vereinbarkeit von Familie und Studium abzurufen.
Hinweis
Wer ein mathematisch-naturwissenschaftliches Fach oder Sprachwissenschaften studieren möchte, in der Schule jedoch keine entsprechenden Leistungskurse belegt hatte, kann an manchen Hochschulen an Vorkursen teilnehmen, um noch vor Studienbeginn mögliche Wissenslücken, z.B. in Mathematik oder Englisch, zu schließen. Mehr dazu unter "Vorkurse".
Weitere Informationen
abi» extra „Typisch“
Tipps und Hinweise zum Thema gibt mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis das abi» extra „Typisch Frau, typisch Mann“, erhältlich über die Agenturen für Arbeit oder als PDF-Download unter www.abi.de/magazine.
Die Lernplattform MaLeMINT.de dient Studieninteressierten an MINT-Studiengängen in Schleswig-Holstein als Orientierung und gezielte Vorbereitung. www.malemint.de