„Der Wandel ist nicht mehr aufzuhalten“

Jörg von Garrel ist Professor für Prozess- und Produktinnovationen mit Schwerpunkt quantitative Sozialforschung. In einer neuen deutschlandweiten Studie hat er zur Nutzung von KI-Tools im Studium geforscht. Mit studienwahl.de sprach er darüber, wie KI das Studieren verändern wird.
studienwahl.de: Wie können Studierende KI im Studium nutzen?
Jörg von Garrel: Möglichkeiten gibt es viele: Mehr als die Hälfte der Studierenden benutzt KI-Tools, um Texte zu erstellen und zu analysieren oder für Übersetzungen. Viele lassen sich auch fachspezifische Konzepte erklären oder stellen Verständnisfragen. Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Problemlösung oder Entscheidungsfindung, oder man verwendet KI, um den individuellen Lernprozess zu strukturieren.
Die beliebtesten Tools sind mit Abstand ChatGPT, hier speziell die kostenfreie Variante (81,5%), und DeepL für Übersetzungen (44,8%).
studienwahl.de: Welche Vorteile können sie daraus ziehen?
Jörg von Garrel: Studierende erhalten sofort Rückmeldung auf Fragen und können sich Inhalte in ihrer eigenen Geschwindigkeit aneignen. Außerdem lassen sich Aufgaben wie Textbearbeitung, Übersetzung oder Datenvisualisierung schneller und mit geringerer kognitiver Belastung erledigen.
KI wird dabei nicht nur als Werkzeug, sondern zunehmend als lernstrategischer Begleiter wahrgenommen, der hilft, komplexe Aufgaben zu bewältigen und fachliche Inhalte besser zu strukturieren.
studienwahl.de: Welche Grenzen gibt es?
Jörg von Garrel: Trotz aller Potenziale bleiben die Grenzen und Risiken des KI-Einsatzes deutlich. KI-Systeme wie ChatGPT verfügen weder über echtes Weltwissen noch über ein tiefes semantisches Verständnis. Sie arbeiten stattdessen auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten. Deshalb „halluzinieren“ KI-Tools oft, also erfinden plausibel klingende, aber trotzdem falsche Informationen.
Weitere kritische Aspekte sind fehlende Transparenz der Modelle – sie funktionieren wie eine Black Box – inhaltliche Verzerrungen, unklare Urheberschaft sowie Datenschutzrisiken.
studieenwahl.de: Wie gehen Hochschulen damit um?
Jörg von Garrel: Was erlaubt ist, hängt stark von der jeweiligen Hochschule ab. Es gibt keine einheitliche Regelung: Einige Hochschulen fördern KI-Anwendungen aktiv, andere erarbeiten gerade noch Orientierungsrahmen. Der Trend geht jedoch klar in Richtung einer systematischen Strategieentwicklung: Hochschulen erkennen, dass KI nicht mehr bloß ein technisches Tool ist, sondern die Struktur von Lehre, Lernen und Prüfungen verändern kann und wird.
studienwahl.de: Muss die Frage, was eigenständiges Arbeiten ist, nun anders bewertet werden?
Jörg von Garrel: Ja, definitiv. Hochschulen werden künftig Kriterien entwickeln müssen, mit denen eigenständiges Denken und Arbeiten auch im Zusammenspiel mit KI erfasst und bewertet werden kann. Gleichzeitig wird deutlich, dass Studierende selbst Verantwortung übernehmen müssen – etwa durch kritisches Reflektieren der KI-Ergebnisse, transparente Angaben zur Nutzung und die Fähigkeit, maschinelle Vorschläge selbstständig weiterzuentwickeln.
studienwahl.de: Wie sehr wird KI in den nächsten Jahren den Alltag an Hochschulen verändern?
Jörg von Garrel: KI wird den Hochschulalltag grundlegend verändern – nicht nur auf Ebene der Lehre, sondern auch in der Art, wie Prüfungen durchgeführt werden, in der Studienorganisation und der Selbststeuerung von Lernprozessen. Der Anteil der Studierenden, die KI im Studium nutzen, ist in zwei Jahren von rund 63 % auf über 91 % gestiegen. Auch die Häufigkeit der Nutzung hat deutlich zugenommen, ebenso wie die Vielfalt der Anwendungsbereiche. Der Wandel ist nicht mehr aufzuhalten. Entscheidend wird sein, wie Hochschulen, Lehrende und Studierende ihn kritisch, kreativ und verantwortungsvoll gestalten.