Studieren ohne Abitur

„Schwer, aber nicht unmöglich“

Zwei Auszubildende arbeiten mit Tablet und Werkzeug an einem Auto.
Foto: Thomas Bernhardt | Bundesagentur für Arbeit

Gabriel Folger (32) machte nach seinem Hauptschulabschluss zunächst eine Ausbildung, dann einen Meister. Nun studiert er Maschinenbau im dritten Semester.

Ein Porträt-Foto von Gabriel F.
Foto: privat

Nicht stehen bleiben! Das treibt Gabriel Folger schon lange an. Deswegen entschloss er sich immer wieder, etwas Neues zu lernen. Obwohl er nur einen Hauptschulabschluss hat, ist der 32-Jährige nun an einer Hochschule eingeschrieben.

Nach dem Besuch einer Hauptschule in Bayern absolvierte Gabriel Folger ab 2005 nahe Bamberg zunächst eine Ausbildung zum Bäcker und hängte ab 2012 noch eine Kfz-Mechatroniker-Ausbildung dran. Anschließend entschied er sich für eine Weiterbildung zum Kraftfahrzeugtechnikermeister in Würzburg, die er 2019 nach dreieinhalb Jahren in Teilzeit abschloss. „Ich wusste früh, dass ich nicht bis in die Rente in einer Autowerkstatt stehen möchte. Ich wollte vorankommen und die Karriereleiter nach oben steigen.“

Genau das war dann auch der Antrieb für ein Studium. „Ich möchte meine Wissensgier befriedigen und Neues machen.“ Deswegen informierte er sich, was er mit seinen Abschlüssen studieren könnte. Dafür suchte er in der näheren Umgebung seiner Heimat Stettfeld in Bayern und stieß auf die Hochschulen in Schweinfurt und Coburg. Seit Oktober 2021 studiert er nun an der Hochschule Coburg den Bachelor Maschinenbau.

Vorbereitungskurs genutzt

„Ich wollte gern im technischen Bereich bleiben“, erklärt der 32-Jährige. „Außerdem ist Maschinenbau ein breit aufgestelltes Studium, mit dem ich in die Automobilbranche, aber auch in eine andere Richtung wie Schiffsbau gehen könnte.“ Für die Zulassung in Coburg musste er lediglich sein Meister-Abschlusszeugnis einreichen und vorweisen, dass er bei der Studienberatung ein Beratungsgespräch hatte.

Darüber hinaus nutzte Gabriel Folger das Angebot für einen Vorbereitungskurs in Mathematik. Vor dem Studium polierten er und andere Interessierte ohne Abitur über zwölf Wochen hinweg so ihr Mathewissen auf, um mit den anderen Studienanfänger*innen auf einem Stand zu sein.

Der Wechsel an die Hochschule war dennoch eine Herausforderung, wie Gabriel Folger berichtet. „Es war sehr ungewohnt, den ganzen Tag zu sitzen, nachdem ich jahrelang praktisch gearbeitet hatte.“ Außerdem musste er erst wieder lernen zu lernen. „Mein Kopf muss lange aufnahmefähig sein, das hat etwas gedauert.“ Gerade das erste Semester sei etwas holprig verlaufen und er musste zwei Prüfungen wiederholen.

Lerngruppen helfen

„Der Einstieg ins Studium war schwerer als gedacht“, sagt er. „Nach einem Jahr ist es jetzt aber deutlich besser. Ich habe mich gut eingewöhnt.“ So habe er etwa kleine Lerngruppen für sich entdeckt, bei der sich Studierende die Themen mit eigenen Worten erklären. Außerdem helfe es ihm, diszipliniert zu sein und viel zu büffeln. „Das Studium ist meine Priorität, ich will das schaffen.“

In den ersten drei Semestern stehen Grundlagen wie Mathe und technische Mechanik im Mittelpunkt. Danach kommen Themen wie Betriebswirtschaftslehre, Simulation und Konstruktion dazu. Das fünfte Semester wird ein Praxissemester werden, bevor im siebten der Abschluss geplant ist.

„Anfangs habe ich noch gedacht, dass ich danach einen Master dranhängen möchte“, sagt der 32-Jährige. „Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.“ Möglicherweise möchte er sich erst einmal einen Job suchen und arbeiten. Das Studium hat sich allerdings schon jetzt gelohnt: „Es ist schwer, aber nicht unmöglich – vor allem aber macht es mir viel Spaß und ich bin sehr motiviert.“

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