Ein (Bachelor-)Studium kann nur absolvieren, wer die allgemeine Hochschulreife in der Tasche hat? Weit gefehlt! Immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeit, nach einer Berufsausbildung zu studieren – ohne Abitur. Allerdings gibt es dabei manches zu beachten.
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Lea Schmutz (28) hat sich ohne eine schulische Zugangsberechtigung für ein Studium qualifiziert. Nach ihrem Realschulabschluss 2010 im baden-württembergischen Laichingen absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation und hängte danach noch eine Fortbildung zur IHK geprüften Wirtschaftsfachwirtin dran. Diese berufliche Bildung ermöglichte es ihr schließlich, ein Studium zu absolvieren.
„Mir gefiel mein Job im Projekt-Management zwar, doch ich wollte noch mehr lernen und mich fachlich weiterqualifizieren.“ Deswegen informierte sie sich über ihre Studienmöglichkeiten und entschied sich für ein berufsbegleitendes Studium. Nachdem sie ihr Zeugnis als Fachwirtin eingereicht hatte, bekam sie schnell eine Zusage und immatrikulierte sich im Herbst 2016 für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie an der privaten FOM Hochschule Augsburg.
Im Studium ging es vor allem um verschiedene Aspekte der Betriebswirtschaftslehre und Psychologie, aber auch um Mathematik und Statistik. Anfang 2020 schloss Lea Schmutz ihr Studium, für das sie von der Stiftung für Begabtenförderung berufliche Bildung ein Vollstipendium bekam, mit ihrer Bachelorarbeit ab. Seitdem arbeitet sie weiterhin für das Unternehmen in Ulm, bei dem sie bereits zuvor angestellt war. „Nach dem Studienabschluss bin ich allerdings in die Personalentwicklung gewechselt und bin dort nun für die Bereiche Recruiting und Talentmanagement zuständig.“
Mehrere Möglichkeiten für beruflich Qualifizierte
Mit ihrem Werdegang ist Lea Schmutz kein Einzelfall. „Immerhin gibt es seit Jahren Bemühungen, auch denjenigen den Zugang zu einer Hochschule zu ermöglichen, die kein Abitur haben“, weiß Otto Pompe, Berufsberater in der Agentur für Arbeit Rheine in Nordrhein-Westfalen. Dies gelte vor allem für beruflich Qualifizierte. „Wer zum Beispiel eine Ausbildung zum*zur Erzieher*in gemacht und drei Jahre im Beruf gearbeitet hat, erhält die sogenannte berufsbezogene Zugangsberechtigung für bestimmte Fächer – in diesem Fall etwa für Erziehungswissenschaft oder Sozialpädagogik.“ In manchen Bundesländern sei der Einstieg ins Studium sogar direkt nach der Ausbildung möglich.
Eine andere Variante ist laut Experte Otto Pompe eine Aufstiegsfortbildung wie Meister*in, Fachwirt*in und Techniker*in. „Damit hat man in der Regel eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung“, erklärt der Berater. „Das bedeutet, man ist auf keinen Fachbereich festgelegt, sondern kann alles studieren, was man möchte.“
Doch auch wenn diese Regelungen von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen wurden und bundesweit gelten: Die Zulassungsbedingungen und -verfahren sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. „Hinzu kommt, dass auch jede Hochschule entscheiden kann, nach welchen Kriterien sie wen aufnimmt“, sagt Otto Pompe. So gebe es für Interessierte ohne Abitur manchmal eine Zulassungsprüfung und manchmal ein Probestudium, bei dem erst nach dem ersten Semester entschieden wird, ob die Leistungen zur Fortsetzung des Studiums reichen.
Der Fachmann empfiehlt daher: „Es ist wichtig, sich in dem Bundesland, in dem man studieren möchte, über die geltenden Regeln für ein Studium ohne Hochschulzugangsberechtigung zu informieren und auch in Erfahrung zu bringen, welche Zugangsvoraussetzungen die in Frage kommenden Hochschulen haben.“ Eine hilfreiche Informationsquelle sei zudem die Webseite www.studieren-ohne-abitur.de mit einem guten Überblick und zahlreichen Tipps (siehe Interview).
Auch wenn sich die Verfahren noch in Details unterscheiden, wurde mit dem KMK-Beschluss der Hochschulzugang mit beruflicher Bildung also erleichtert. Und es entscheiden sich immer mehr Menschen in Deutschland zu diesem Schritt: Im Jahr 2020 studierten laut dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) bereits rund 66.000 Menschen, ohne eine schulische Hochschulzugangsberechtigung zu haben. Laut Experte Otto Pompe geht der Trend dabei zu einem Studium an Fachhochschulen: „Rund drei Viertel der Studierenden ohne Abitur sind an Fachhochschulen immatrikuliert, ein Viertel an Universitäten.“ Außerdem sei der Anteil an Frauen gestiegen und betrage nun rund 50 Prozent.
Infoportal der Bundesagentur für Arbeit zur beruflichen Orientierung für Abiturient*innen und Studierende. www.abi.de
Studieren ohne Abitur
Die Seite vom Centrum für Hochschulentwicklung stellt viele Informationen rund um das Thema zusammen. www.studieren-ohne-abitur.de
CHE
Das gemeinnützige CHE Centrum für Hochschulentwicklung informiert über das Studium in Deutschland und Zulassungsbedingungen zu den Hochschulen. Darunter gibt es auch Studien und Publikationen zu einzelnen Fachbereichen www.che.de