„Es wird Lösungen geben“
Stefan Schulz-Hardt, Professor für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, sprach mit studienwahl.de über Trendthemen in der Psychologie und die Herausforderungen, die das neue Psychotherapeutengesetz mit sich bringt.
studienwahl.de: Herr Schulz-Hardt, gibt es thematische Trends, mit denen sich Psycholog*innen derzeit beschäftigen?
Stefan Schulz-Hardt: Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie bekommen vor allem Schulpsycholog*innen zu spüren – Kinder und Jugendliche leiden bis heute unter den Folgen der damaligen Maßnahmen. Auch Lehrer*innen haben einen erhöhten Beratungsbedarf. Das Problem: Wir hatten schon vor der Pandemie viel zu wenig Schulpsycholog*innen, jetzt bräuchten wir noch mehr. Erhöhten psychologischen Beratungsbedarf gibt es auch bei den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit. Etwa bei der Frage: Wie kommt man vom Wissen zur Einstellung und von dieser zur Verhaltensänderung?
studienwahl.de: Wie wirkt sich das neue Psychotherapeutengesetz auf die Ausbildung aus?
Stefan Schulz-Hardt: Die Unis haben es erfolgreich geschafft, in kürzester Zeit die neue Master-Ausbildung zu realisieren. Aber es gibt zwei weitere Baustellen. Die bundesweit einheitlich gestaltete, staatliche Approbationsprüfung ist grundlegend verändert worden: Zusätzlich zur mündlich-praktischen Fallprüfung gibt es jetzt eine anwendungsorientierte Parcoursprüfung. Sie besteht aus fünf Stationen, an denen Schauspielpatient*innen ein bestimmtes Störungsbild darstellen. Das ist hoch komplex! Und die Finanzierung ist noch nicht geklärt.
studienwahl.de: Und die zweite Baustelle?
Stefan Schulz-Hardt: Das ist die neue fünfjährige Weiterbildung: Mit der Gesetzesreform wollte der Gesetzgeber die Vergütung verbessern. Aber in der ambulanten und klinischen Versorgung gibt es kaum Stellen, weil die Ausbildungsinstitute und Kliniken sie nicht finanzieren können und nicht gesetzlich geregelt ist, woher das Geld dafür kommt.
studienwahl.de: Vor diesem Hintergrund: Was raten Sie jungen Menschen, die überlegen, Psychotherapeut*innen zu werden?
Stefan Schulz-Hardt: Es gibt einen Schulterschluss verschiedener Akteur*innen. Und es ist richtig und wichtig, dass es auch Druck von Studierendenseite gibt. Die Bundestagspetition, die fordert, gesetzliche Grundlagen für die notwendige Finanzierung der Psychotherapie-Weiterbildung zu schaffen, hat mehr als 70 000 Unterschriften erhalten! Daher bin ich zuversichtlich, dass wir Lösungen finden. Wichtig ist: Niemand sollte sich deswegen davon abhalten lassen, ein Psychologie-Studium zu beginnen!