Rechtswissenschaften studieren

„Der Entscheidungsmuskel muss gut trainiert sein“

An der rosafarbenen Sandsteinmauer neben dem Gebäudeeingang ist eine dunkle Metallplakette mit der Aufschrift "Justiz Gebäude" angebracht. Daneben eine graue Steinstatue.
Foto: Bundesagentur für Arbeit

Martina Flade arbeitet als Straf- und Jugendrichterin am Amtsgericht Chemnitz. Ihre Tätigkeit empfindet die 31-Jährige als motivierend und sinnstiftend – und manchmal sei es sogar ein bisschen so, als würde sie einen Krimi lesen.

Haben Volljährige Anspruch auf Unterhalt? Wie wird entschieden, ob jemand Bewährung bekommt? Können sich Richter*innen die Fälle aussuchen? Solche Fragen beantwortet Martina Flade auf ihrem Instagram-Kanal frau_richter_in. Rechtsthemen verständlich machen und so manchen Irrtum ausräumen waren Gründe, warum sie während ihrer Elternzeit in den sozialen Medien aktiv wurde. 35.500 Follower verzeichnet der Blog, auf dem die Richterin juristische Sachverhalte erläutert, Fragen beantwortet und angehenden Jurist*innen Tipps gibt.

Spannendes Aktenwälzen

Martina Flade arbeitet Vollzeit als Straf- und Jugendrichterin am Amtsgericht Chemnitz. Der Vorteil an ihrem Beruf, gerade auch für Mütter: „Es gibt keine festen Arbeitszeiten und ich kann selbst bestimmen, ob ich ins Büro gehe oder zu Hause arbeite.“ An zwei Tagen pro Woche leitet sie im Gerichtssaal mindestens fünf Verhandlungen. Wie lange diese dauern, hängt von der Strafsache ab: Etwa, ob es sich um Ladendiebstahl oder gefährliche Körperverletzung mit mehreren Angeklagten handelt.

Die restliche Arbeitszeit ist die 31-Jährige überwiegend mit „Aktenwälzen“ beschäftigt. „Das ist ein bisschen, als lese man einen Krimi.“ Die Akten enthalten die wesentlichen Ermittlungsergebnisse. Denn bevor ein Fall bei Martina Flade auf dem Tisch landet, haben Polizei und Staatsanwaltschaft ihn bereits untersucht. „Das Gericht selbst ist keine Anklagebehörde, das ist ganz wichtig“, betont sie. Anklage erhebt in der Regel die Staatsanwaltschaft. Deren Arbeit kennt sie aus eigener Berufserfahrung: Nach dem Jurastudium an der Uni Leipzig und dem Referendariat war sie im Freistaat Bayern als Staatsanwältin für die Verfolgung von Straftaten unter anderem im Bereich der Drogenkriminalität verantwortlich. „Jetzt als Richterin ist es eine meiner Aufgaben zu entscheiden, ob hinreichender Tatverdacht besteht, ob eine Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird, welche Beweismittel zugelassen und welche Zeugen geladen werden sollen.“

Alle Bedürfnisse im Blick haben

Am Ende jeder Verhandlung muss Martina Flade ein Urteil fällen. Vor allem im Jugendstrafrecht trägt man dabei natürlich eine große Verantwortung. Man brauche „einen gut trainierten Entscheidungsmuskel“: „Ich muss die Entscheidung treffen – und damit umgehen können, dass und wie ich sie getroffen habe.“ Selbstbewusstsein ist dabei unerlässlich – und Empathie: „Man muss alle Perspektiven, Bedürfnisse und Anliegen im Blick haben.“ Und dann beispielsweise entscheiden, einen Heranwachsenden nicht zu einer Haft- oder Geldstrafe zu verurteilen, sondern ihm Arbeitsstunden und die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs aufzuerlegen. Mit solchen Erziehungsmaßregeln soll verhindert werden, dass junge Menschen weiter ins kriminelle Milieu abrutschen. „Das wird mir zwar bestimmt nicht immer gelingen. Aber allein die Möglichkeit, durch die Rechtsprechung einen Lebensweg positiv zu beeinflussen, empfinde ich als motivierend und sinnstiftend.“

Beispiele aus der Praxis: Rechtswissenschaften studiert