Die Studienzeit ist für viele junge Menschen ein besonderer Lebensabschnitt. Mit einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung kann sie jedoch zu einer speziellen Herausforderung werden. Britta Klasen und Anton Tartz haben das selbst erfahren – erhalten aber auch viel Unterstützung.
Laut der 22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes berichten knapp 16 Prozent aller Studierenden in Deutschland von gesundheitlichen Einschränkungen, die ihren Studienalltag deutlich schwerer machen. Die allermeisten davon sind von außen nicht sichtbar: Zwei von drei beeinträchtigten Studierenden leiden an psychischen Erkrankungen. Das übrige Drittel verteilt sich beispielsweise auf chronische Erkrankungen, Teilleistungsstörungen, Bewegungs-, Seh-, oder Hörbeeinträchtigungen.
Auch Britta Klasen (27) und Anton Tartz (23) sieht man ihre Einschränkungen nicht gleich an. Eine rheumatische Erkrankung erschwert der 27-jährigen Redakteurin und berufsbegleitend Studierenden unter anderem das handschriftliche Schreiben. Anton Tartz hingegen ist durch seine Legasthenie auf verschiedene technische Hilfsmittel angewiesen, um Studienarbeiten anzufertigen. Beide Studierende können sowohl von positiven, als auch von negativeren Erfahrungen in ihrem Studienalltag berichten.
Beispiele aus der Praxis: Das Studium mit Behinderung oder chronischer Erkrankung
Mit 16 Jahren wurde bei Britta Klasen eine „juvenile idiopathische Arthritis“ (kindliches Rheuma) diagnostiziert. Die Autoimmunerkrankung führt zu Gelenksentzündungen, die in ihrem Fall Schwierigkeiten beim Schreiben verursachen. Bereits in der Schulzeit nahm Britta Klasen daher Nachteilsausgleiche in Anspruch. Ihre Abiturprüfungen konnte sie zum Beispiel vollständig am Computer absolvieren.
Als sie dann nach Bonn ging, um Medienwissenschaft und Germanistik zu studieren, wandte sie sich direkt an die Beratungsstelle der Hochschule. „Generell gibt es an jeder Universität Ansprechpartner*innen für Studierende mit chronischer Erkrankung oder Behinderung“, weiß sie. Je nachdem, welche Beeinträchtigung man hat und welche Ausgleiche man braucht, stellt man einen Antrag beim zuständigen Prüfungsamt. Ein ärztliches Attest muss vorgelegt werden. „Ich bekam eine Schreibzeitverlängerung“, erzählt Britta Klasen. „Das heißt, ich habe bei Klausuren länger Zeit. Das ging an der Uni Bonn sehr reibungslos.“
Sogenannte Härtefallregelungen und Nachteilsausgleiche dienen dazu, die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu garantieren. „Ausgleiche gibt es vor allem in drei Bereichen: bei der Studienzulassung, im Studium selbst und beim BAföG-Antrag“, erläutert Beate Muder, Berufsberaterin an der Arbeitsagentur Augsburg. „Pauschal zu sagen, ob ein bestimmter Studiengang geeignet oder ungeeignet ist, ist nahezu unmöglich“, weiß sie. Schließlich sei es ganz individuell, welche Einschränkungen und welche Vorgeschichte man hat.
Auch Anton Tartz nutzt die Nachteilsausgleiche an seiner Hochschule. Der 23-Jährige studiert Geschichte sowie Kultur- und Sozialanthropologie im Doppelstudium an der Freien Universität Berlin. Aufgrund seiner Lese- und Rechtschreibstörung helfen ihm verschiedene Vorlese- und Diktiersoftwares sowie Rechtschreibkorrekturprogramme durchs Studium. „Dadurch kann ich sehr effektiv arbeiten“, berichtet der Student.
… Hindernisse überwinden …
Foto: privat
Auch wenn die Anträge auf Nachteilsausgleiche in diesen beiden Fällen problemlos funktioniert haben, ergeben sich in der Praxis doch immer wieder Hürden. In manchen Prüfungen stieß Britta Klasen auf ungläubige Reaktionen der Lehrkräfte, als sie auf ihre zusätzliche Zeit bestand, obwohl diese vorab genehmigt worden war. „Manchmal fehlt hier eine gewisse Sensibilität für unsichtbare Erkrankungen“, sagt die Studentin. Gerade an größeren Universitäten kommt hinzu, dass die Anträge oft untergehen und man immer wieder nachhaken muss, um sein Recht durchzusetzen. „Das Recht auf Unterstützung muss man immer wieder aktiv einfordern, gerade bei unsichtbaren Erkrankungen“, rät sie.
Anton Tartz hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Manche Dozierende reagieren etwas zurückhaltend auf die technischen Hilfsmittel, die ich verwende. Eine Professorin hat sich auch mal geweigert, Folien rauszugeben.“ Diese hätte er jedoch benötigt, da er aufgrund seiner Erkrankung nicht regulär mitschreiben kann. Hinzu kommen in seinem Fall bürokratische Hürden, da durch sein Kombistudium zwei eigene Prüfungsämter für die Genehmigung der Nachteilsausgleiche zuständig sind.
Die Gleichstellung Studierender mit Behinderung wird zudem an den Hochschulen unterschiedlich umgesetzt, wie die Berufsberaterin Beate Muder ergänzt. „Die Hochschulen fallen in die Zuständigkeit der Bundesländer und haben auch einen eigenen Gestaltungsspielraum, sodass die Antragsentscheidung oft vor Ort zu klären ist.“
… und erfolgreich studieren!
Doch selbst wenn nicht immer alles glatt läuft, handelt es sich bei diesen Schwierigkeiten im Großen und Ganzen um Ausreißer. Sowohl Britta Klasen als auch Anton Tartz erfahren zum Großteil Solidarität und Unterstützung seitens Professor*innen und Studienkolleg*innen. „In den allermeisten Fällen wird sehr gut auf die Einschränkungen eingegangen“ – dabei sind sich die beiden Studierenden unabhängig voneinander einig.
Britta Klasen und Anton Tartz stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass körperliche oder kognitive Einschränkungen keinen Hinderungsgrund für den Studienerfolg darstellen. Während der eine dem Studienabschluss entgegensteuert, hat die andere ihren Bachelor und ein Volontariat bereits in der Tasche und belegt neben ihrer Arbeit als Redakteurin zusätzlich ein berufsbegleitendes Masterstudium. Mit einer guten Planung und einem klaren Ziel ebnet sich der Weg durchs Wunschstudium!
Weitere Informationen
studienwahl.de
Studieren mit Behinderungen oder chronischer Erkrankung – Überblick www.studienwahl.de
abi» dein weg in studium und beruf
Berufliche Orientierung mit Behinderung – Überblick www.abi.de
Check-U – Das Erkundungstool der Bundesagentur für Arbeit
Testen Sie mit Check-U Ihre persönlichen Stärken und Interessen! Finden Sie heraus, welche Ausbildungen oder Studienfelder dazu passen. www.check-u.de
hochschulstart.de – Stiftung für Hochschulzulassung
Das Informations- und Bewerbungsportal für ein Studium an deutschen Hochschulen – auch für Sonderänträge bei Behinderungen oder chronischen Erkrankungen www.hochschulstart.de
Beauftragte und Berater*innen der Hochschulen und Studierendenwerke zu Studium und Behinderung
Beauftragte für Studierende und Studieninteressierte mit Behinderungen und chronischen Krankheiten beraten zu allen Fragen rund um ein Studium mit Beeinträchtigungen. www.studierendenwerke.de
kombabb – Kompetenzzentrum Behinderung, akademische Bildung und Beruf