Acht Prozent der Studierenden in Deutschland sind Eltern mindestens eines Kindes (laut 22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes). Für viele ist es eine Dreifachbelastung: Studium, Nebenjob und Kinder können einen an die Grenzen bringen. Doch es gibt reichlich Unterstützung seitens vieler Hochschulen und der Studierendenwerke.
Foto: Jessica Braun / Meramo Studios
In den Tag starten Betty Zepernick und ihr Sohn Willi gemeinsam. Nach dem Frühstück fahren beide mit dem Rad zu seiner Grundschule. Wenn für den Erstklässler um acht Uhr der Unterricht beginnt, kann die Studentin schon mit ihren eigenen Aufgaben starten. „Wenn ich an dem Tag keine Seminare oder Vorlesungen habe, lerne ich zuhause oder im Café oder kümmere mich um meine Jobs.“
Sie studiert aktuell in Vollzeit Kommunikationsdesign an der FH Potsdam. Gerade hat ihr siebtes von regulär acht Bachelorsemestern begonnen. „Weil sich der Stundenplan beim Studium recht flexibel gestalten lässt, kann ich alles zeitlich ganz gut miteinander vereinbaren“, stellt sie fest. Wenn sie eine Lehrveranstaltung mal wegen eines Betreuungsengpasses zum Beispiel eine Stunde früher verlassen muss, spricht sie es bei der Dozentin oder dem Dozenten offen an. „Hier haben alle Verständnis für solch eine Situation, das ist kein Problem.“
Diese Erfahrung hatte die heute 34-Jährige bereits bei ihrem vorherigen Bachelor- und Masterstudium der Soziologie an der Universität Potsdam gemacht: Während sie noch mit der Masterarbeit beschäftigt war, kam ihr Sohn zur Welt. „Nach dem Abschluss habe ich eine Weile als Soziologin gearbeitet, vor allem im Bereich Gesundheitssoziologie. Dann aber wollte ich mich beruflich weiter entwickeln.“
Entlastende Angebote
Betty Zepernick ist in Teilzeit alleinerziehend, mit dem getrennt lebenden Kindsvater hat sie eine gute Lösung gefunden. Beide teilen sich die Betreuung des nun Siebenjährigen genau zur Hälfte, auch die Großeltern unterstützen sie. An einigen ihrer kinderfreien Tage arbeitet die Studentin im Gründungsservice der Hochschule – hier ist sie für zehn Wochenstunden angestellt – oder widmet sich ihrer selbstständigen Tätigkeit als Grafikdesignerin und Musikerin (Ukulele und Gesang). Zugute kommt ihr dabei ein Stipendium des EXISTS Frauen-Förderprogramms für gründungsinteressierte Frauen.
Dank dieser Finanzierungsmöglichkeiten und ihres hilfreichen sozialen Netzwerks benötigt Betty Zepernick keine Beratungs- oder Unterstützungsangebote der FH Potsdam. Sie weiß aber: Diese würden sie entlasten, wenn sie ganz auf sich allein gestellt wäre. „Es gibt hier ein Familienteam, mit dem man sich absprechen kann, wenn einem alles zu viel wird, und auch sonst noch ganz tolle Angebote.“ Dazu gehören unter anderem ein Familienzimmer mit flexibler Kinderbetreuung, eine Kinderbibliothek in der Bibliothek, Sportkurse für Eltern und Kinder, Familientisch und Kinderstühle in der Mensa sowie das „mobile Kinderzimmer“ – ein Rucksack mit Spielzeug, Malsachen und Kuscheldecke, den sich die jungen Mütter und Väter ausleihen können.
Beispiele aus der Praxis und weiterführende Informationen
Gleichstellungs- oder Familienbeauftragte gibt es mittlerweile an fast allen staatlichen Hochschulen und Universitäten, sie beraten und helfen: Neben konkreter, familienbezogener Beratung und Unterstützung sind studierenden Eltern außerdem oft Urlaubssemester, ein Teilzeitstudium oder Bevorzugungen bei der Anmeldung von Lehrveranstaltungen und der Verschiebung von Prüfungsterminen möglich.
Dem Deutschen Studierendenwerk zufolge ist ein Teilzeitstudium eine häufig genutzte Option für Studierende mit Kind: Insgesamt 54 Prozent studieren in Teilzeit. Für ein Präsenzstudium entscheiden sich nur 55 Prozent der studierenden Eltern, bei den Studierenden ohne Nachwuchs hingegen sind es mit 82 Prozent deutlich mehr. „Bei der Entscheidung für den Hochschulstandort sind für studierende Eltern folgende Aspekte bedeutsam“, zählt Stefan Grob, Pressesprecher des Deutschen Studierendenwerks, auf: „Möglichkeit des Teilzeitstudiums, Freund*innen und Familie vor Ort, hochschulspezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote und die gewünschte Fachrichtung. Studierende mit Kind(ern) verwenden mit 28 Stunden/Woche statistisch signifikant weniger Zeit für ihr Studium als Studierende ohne Kind(er).“
Die finanzielle Absicherung
Für viele ist es eine Dreifachbelastung: 68 Prozent der Studierenden mit Kind(ern) sind erwerbstätig. Mit durchschnittlich 24 Stunden pro Woche arbeiten sie wesentlich mehr als Studierende ohne Kind(er), die im Schnitt rund 14 Stunden arbeiten.
„Die materielle Absicherung der studentischen Familie ist wichtig für ein erfolgreiches Studium“, betont Stefan Grob. „Hier kommen mehrere Leistungen in Frage. Die Regelungen sind jedoch komplex, da sich Leistungen zum Teil gegenseitig bedingen oder ausschließen, Einkommen und Vermögen unterschiedlich berücksichtigt werden und Unterhaltsansprüche zu beachten sind. Empfehlenswert ist deshalb die Beratung durch das zuständige Studierendenwerk.“
Weitere Informationen
studienwahl.de
Infoportal der Bundesagentur für Arbeit und der Stiftung für Hochschulzulassung. www.studienwahl.de
abi.de
Infoportal der Bundesagentur für Arbeit zur beruflichen Orientierung für Abiturienten und Hochschüler (Rubrik: Unterstützung) www.abi.de
Studiensuche
Die Studiensuche der Bundesagentur für Arbeit unterstützt bei der Auswahl an Studienfächern und Studienorten. www.arbeitsagentur.de/studiensuche
Hochschulkompass
Informationen über deutsche Hochschulen, deren Studien- und Promotionsmöglichkeiten sowie internationale Kooperationen www.hochschulkompass.de