Engagement neben dem Studium

Ein offenes Ohr für studentische Sorgen

Ein kabelgebundenes schwarzes Headset mit Kopfbügeln, Ohrmuscheln und Mikrofon liegt auf einer hellen Oberfläche.
Foto: Thilo Jaeckel | Bundesagentur für Arbeit

Prüfungsangst, Liebeskummer, WG-Stress: Beim Zuhörtelefon Nightline haben Studierende ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen. Informatik-Masterstudent Liam (27) berichtet von seinem ehrenamtlichen Engagement in der Nightline-Hochschulgruppe der Technischen Universität (TU) Dresden.

Dienstag, 23.30 Uhr, eine Studentin ruft an. Sie weint, sagt, sie könne seit Tagen wegen einer Prüfung nicht schlafen. Es ist ihr dritter Versuch, wenn sie die Prüfung nicht packt, war es das mit dem Studium. Liam hört zu, fragt nach, geduldig, unaufgeregt, wertschätzend.

Kein Problem ist zu klein

Die Szene ist fiktiv. Sie könnte sich in Münster, Passau oder Berlin zutragen – überall dort, wo es Nightlines gibt, Zuhör- und Informationstelefone von Studierenden für Studierende. Liam engagiert sich in der Dresdener Initiative. Sein Name ist ebenfalls fiktiv, denn es wird streng auf Anonymität geachtet. Die Anruferinnen und Anrufer müssen keine Namen nennen. Gleiches gilt für die Zuhörenden – um zu verhindern, dass sie auf ihr Engagement angesprochen werden und in unangenehme Situationen geraten.

Liam, der an der Technischen Universität Dresden Informatik im 4. Mastersemester studiert, ist seit viereinhalb Jahren dabei und Vorsitzender der 30-köpfigen Gruppe. „Bei uns gilt: Alles kann, nichts muss“, erläutert der 27-Jährige. Wenn möglich sollten zwei Dienste im Monat geleistet werden. In der Vorlesungszeit ist die Nightline vier Abende pro Woche von 21 bis 0 Uhr mit zwei Ehrenamtlichen besetzt. Die Erwartungshaltung sei bewusst gering, damit sich niemand unter Druck gesetzt fühlt: „Das Studium hat Priorität.“

Wer mag, arbeitet noch in einer Arbeitsgruppe mit – Liam ist in der Technikgruppe, andere übernehmen die Öffentlichkeitsarbeit, Sozialisation-Events, die Dienstpläne oder die Organisation von Supervisionen und Schulungen, bei denen es um Kommunikationspsychologie und Gesprächstechniken geht. Als zentraler Grundsatz gilt: Die Gespräche sind ergebnisoffen und non-direktiv. „Das bedeutet, dass wir nicht beraten. Wir sind keine ausgebildeten Seelsorgerinnen und Seelsorger.“ Entsprechend sei das Angebot sehr niedrigschwellig: „Wir füllen die Nische zwischen Therapiegespräch und Freundeskreis: Alle können für alles anrufen, kein Problem ist zu klein.“ Meist gehe es um studentische Sorgen, manchmal aber auch um Themen, die nichts mit dem Hochschulleben zu tun haben.

Ausgleich zum Studium

Bei der Nightline gewinne er zahlreiche Kompetenzen, begründet Liam sein freiwilliges Engagement, darunter Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit und Organisation. „Allein die Schulungen haben mir privat und fürs spätere Berufsleben viel gebracht.“ Zudem profitiere er von den interdisziplinären Kontakten, die er knüpft – in Dresden selbst sowie auf den Vernetzungstreffen der Nightlines im deutschsprachigen Raum. Im Mai ging es sogar für ein Tagungswochenende nach Paris, wo Vertreterinnen und Vertreter aus fünf Ländern zusammenkamen. „Das alles ist ein guter Ausgleich zu meinem computerlastigen Studium“, schwärmt der 27-Jährige.

Beispiele aus der Praxis: Engagement neben dem Studium